Dürrheims Realschüler haben schon für Bundestag gewählt
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Drei Tage vor der Bundestagswahl am 26. September konnten gestern die Jugendlichen aus sieben Schulklassen schon mal den künftigen Bundeskanzler wählen.
Der vorgezogene Wahltag wurde von den 15 und 16 Jahre alten Jugendlichen mit Spannung erwartet. Schon in den Wochen zuvor hatten sie sich im Gemeinschaftskundeunterricht mit den Organen der demokratischen Teilhabe und dem politischen System in Deutschland beschäftigt. Höhepunkt war dann gestern die Bundestagswahl.
Den Schülern wurden dabei die gleichen Stimmzettel ausgehändigt, wie sie am Sonntag in den Wahllokalen angekreuzt werden dürfen und auch schon von den Briefwählern seit Anfang September benutzt werden.
Englisch- und Geschichtslehrer Jonathan Schirling schwärmte: „Wir lernen hier nicht nur in der Theorie, wie eine Wahl funktioniert, die Schüler erfahren ganz praktisch, worum es in der Politik geht und stärken ihre Entscheidungskompetenz, was ja in der Schule gefragt ist.“
Im Unterricht hatten sich die Schüler der drei neunten und vier zehnten Klassen über Parteien und ihre Programme informiert, wobei schwerpunktmäßig die im 19. Bundestag vertretenen sechs Parteien angeschaut wurden.
Die Schüler informierten sich auch durch Wahlwerbevideos und Parteiprogramme über die Ziele und lernten im Unterricht die Spitzenkandidaten der Parteien kennen. Zu Veranstaltungen wie etwa dem gestrigen Auftritt von Armin Laschet in Villingen wollten die Pädagogen mit ihren Schülern aber nicht gehen: „Das wäre eine unzulässige Beeinflussung“, so Jonathan Schirling.
Schülerin Amalya (zehnte Klasse) sagte, bei ihr zu Hause werde über Politik und Parteien geredet. „Meine Eltern überlassen es aber mir selbst, wen ich wähle“, versicherte die Schülerin. Ihre Mitschülerin Annalena sieht es auch so: „Wir reden über Politik, aber ich entscheide selbst, wen ich wähle.“
Die beiden Schülerinnen sind begeistert über den praxisnahen Wahlunterricht: „Normalerweise lernt man das ja nur theoretisch, aber jetzt spielen wir das praktisch durch“, so Annalena. Die Schüler erfahren dabei, dass das Ausfüllen des Stimmzettels kein Hexenwerk ist oder dass man Erst- und Zweitstimme verschiedenen Parteien geben kann.
Bei der Juniorwahl geht es um das Üben und Erleben von Demokratie. Das Projekt soll Schüler frühzeitig an das Thema Wahlen und Politik heranführen und sie auf die künftige Mitwirkung im politischen System vorbereiten.
„Untersuchungen aus früheren Juniorwahlen haben gezeigt, dass Schüler, die daran teilgenommen haben, auch später häufiger selbst wählen gehen als andere und auch ihre Eltern motivieren, zu wählen“, sagte Jonathan Schirling. Und: „Demokratie lebt von Leuten, die mitbestimmen.“
Deshalb ist neben der unterrichtlichen Vorbereitung die originale Wahlsimulation ein wichtiger Bestandteil. „Man hört ja manchmal, dass in den Schulen Dinge gelernt werden, die man später nicht braucht. Das Gegenteil ist der Fall, wie man hier sieht“, so der verantwortliche Lehrer. Denn bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren dürfen die Schüler aus den neunten und zehnten Klassen schon wählen.
Zur Vorbereitung wurde ein Wahlausschuss aus Schülerinnen der Klasse 10b gebildet, der allen Jugendlichen eine persönliche Wahlbenachrichtigung zukommen ließ.
Klassenweise kamen dann gestern die Jugendlichen im Foyer an, alle zeigten ihre Wahlbenachrichtigung und wenn möglich auch den Schülerausweis. Die Wahlhelferinnen hakten dann die entsprechenden Namen im Wählerverzeichnis ab – wie im wirklichen Leben.
Danach bekam jeder Jugendliche einen Stimmzettel, so wie ihn auch die volljährigen Wähler am Sonntag erhalten. Ganz oben steht: „Sie haben zwei Stimmen“, entsprechende Pfeile zeigen, wo sie anzukreuzen sind. Links ist die Rubrik für die Erststimme mit den hiesigen neun Kandidaten aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis in der Reihenfolge Thorsten Frei, Derya Türk-Nachbaur, Thomas Bleile, Dr. Marcel Klinge und weiteren.
Rechts daneben auf dem gleichen langen Stimmzettel dann die Namen der 24 Parteien, die angekreuzt werden können, die Gliederung erfolgt aufgrund der Wahlergebnisse 2017 in Baden-Württemberg, deshalb steht die CDU oben, gefolgt von SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke.
Die meisten der von der ?NECKARQUELLE befragten Schüler kennen keinen der Kandidaten, allenfalls der Thorsten Frei war einigen ein Begriff, da er seit 2013 Mitglied des Bundestags ist und weil er sich auch im vergangenen Jahr den Fragen von 120 Schülern stellte.
Rektorin Stephanie Martin berichtete, dass die Juniorwahl nun schon zum zweiten Mal an der Realschule am Salinensee stattfindet. „Ich finde das gut, ich bin ja selbst auch Gemeinschaftskundelehrerin. In der heutigen Zeit ist Demokratieverständnis keine Selbstverständlichkeit.“ Das deutsche Wahlrecht sei ein hohes Gut, so die Rektorin. „In diesem Jahr ist die Wahl ja auch spannender als sonst, weil keiner der Spitzenkandidaten für das Bundeskanzleramt ein Amtsinhaber ist“, meinte Rektorin Stephanie Martin und fügte hinzu: „Die Bundespolitik betrifft ja uns alle täglich.“ Das Ergebnis der Juniorwahl wird erst am Sonntag um 18 Uhr bekannt gegeben, um nicht die Wähler im Schwarzwald-Baar-Kreis zu beeinflussen. Es ist auf der Internetseite www.juniorwahl.de für die Realschule Bad Dürrheim abrufbar. „Am Sonntag um 19 Uhr werde ich mir deshalb nicht die Wahlprognose von ARD und ZDF anschauen, sondern das Ergebnis der Juniorwahl hier“, verspracht die Rektorin.
Interessante Kombinationen
Der Schüler-Wahlvorstand zählte schon aus, erst kamen die Stimmzettel auf einen Haufen, bei denen Erst- und Zweitstimme an die gleich Partei fielen – das war etwas die Hälfte. Häufig wurden da SPD/CDU oder CDU/FDP angekreuzt. Es gab aber auch interessante Kombinationen wie Grüne/NPD oder SPD/Piraten sowie Basis/AfD.
Die Bad Dürrheimer Realschüler sind schon wahlerfahren: Jedes Jahr wählen sie ihren Schülersprecher. Während der Coronazeit verzichtet man dabei auf große Wahlversammlungen in der Sporthalle, die Kandidatenteams – immer zwei Schüler – drehen nun Wahlwerbevideos, die in den Klassen gezeigt werden.
Quelle: Neckarquelle / Herr Eisemann